KONZEPT
Niemand lebt in einer sterilen Welt ohne den Spuren von anderen Lebewesen zu begegnen.
Besonders der Mensch schafft es überall riesige Mengen von Datenspuren zu hinterlassen, analoge wie digitale, gewollte wie ungewollte.
Diese Spuren können schaden: der Umwelt, der Natur, dem Klima, dem Menschen selber. Diese Spuren können aber auch positiv sein: wichtige Informationen weitergeben, Wegweiser sein, neugierig machen, Geschichten erzählen und vieles mehr.
In einer Welt ohne Spuren anderer Menschen würde vermutlich niemand leben wollen. Diese Welt wäre einsam und leer. Spuren können zwar keine echten Begegnungen ersetzen, sind aber ein Hinweis auf Leben und lassen hoffen. 
ZEIT | RAUM | DATENSPUREN 
ist eine konzeptuelle Arbeit, die sich in einer partizipativen Aktion mit dem Begehen einer Strecke im analogen wie im digitalen Raum beschäftigt und die dort gesammelten und hinterlassenen Daten und Spuren betrachtet, vergleicht und dokumentiert.


Dabei berühre die Arbeit automatisch viele Fragen, die inzwischen zu unserem Alltag gehören und mit denen wir uns mehr oder weniger beschäftigen, je nach Alter, Job, Interesse oder technischen Möglichkeiten.
Das sind Fragen wie: Gibt es noch private Räume? Kann ich entscheiden, wo ich zu sehen bin? Wo und wie zeige ich meine Daten/Spuren gerne öffentlich? Wo und wann habe ich dabei ein komisches Gefühl? Wo kreuzen sich meine Spuren mit denen von anderen? Wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede? Gibt es noch eine reale Welt oder vermischt sich der analoge und digitale Raum zunehmend miteinander?

Der Schwerpunkt meiner Arbeit ist die Gegenüberstellung des analogen Spurenbildes einer gelaufenen Strecke in einer vorgegebenen Zeit aus der Lochkamera mit dem digitalen Bewegungsprofil einer App und der Sammlung von realen Beweisstücken und Datenspuren.
So wird der Begriff TRACKING (=Spurbildung) neu überdacht. Er bezieht sich statisch (mit Rückblick auf die geschehenen Ereignisse) auf das Spurenbild der Lochkamera und mitlaufend (online – Verfolgung von bewegten Objekten) auf das Bewegungsprofil der Lauf-App des Akteurs/ der Akteurin.
Die Ergebnisse dieser partizipativen Aktion werden als Serie von Wandobjekten präsentiert, während meine eigene ausführlichere Datensammlung vorerst hauptsächlich auf diesen Webseiten gezeigt wird. Dazu gehören auch die von mir gesammelten Informationen durch COOKIES, die ich anstatt in den Browser abzulegen als runde Tonstücke innerhalb meiner zwei zu vergleichenden Strecken auf interessante Oberflächen gedrückt habe, um die Negativabdrucke dann als Daten wieder mitzunehmen.
Da wir, wie anfangs erwähnt, nicht alleine in dieser Welt leben und ständig gegenseitig über unsere verschiedenen Spuren stolpern, ist es mir ein Anliegen, diese Arbeit nicht alleine zu gestalten. Deshalb ist die partizipative Aktion mit mir bekannten und unbekannten Teilnehmenden aus verschiedenen Städten und Orten ein wichtiger Teil in der digitalen wie auch in der realen Ausstellung. Und auch die Besucher/Besucherinnen werden als Akteure/Akteurinnen mit einbezogen, da ja auch sie ihre Spuren hinterlassen.
Auf dieser Website gibt es noch einige zusätzliche Informationen rund um mein Thema.
Das Konzept dieser Arbeit ist so angelegt, dass es weiter gedacht werden kann.
Nach meinem Diplomabschluss habe ich vor an diesem Thema weiter zu arbeiten.


Begriffserklärung zum Titel

ZEIT​​​​​​​ 
= gemeinsamer Nenner für alle Teilnehmenden = 20 Minuten
Die vorgegebene Zeit, die die teilnehmende Person hat um eine Strecke in ihrem eigenen Tempo zurück zu legen, ist dabei der gemeinsame Nenner um die Ergebnisse besser vergleichen zu können.

RAUM
A = PHYSISCHER RAUM,
der innerhalb von diesen 20 Minuten betreten/eingenommen wird und der Spuren von sich selbst und von anderen Lebewesen aufweist; 
eigene Spuren werden hinterlassen, teilweise aufgezeichnet, fremde Spuren werden gesehen und teilweise mitgenommen;
---> Fundstücke, Bewegungsprofil und Fotos (Fotoalbum –private Erinnerung) als Beweis.
B = DIGITALER RAUM,
der von der Aktion berichtet und für längere Zeit und für viele zugänglich ist und digitale Spuren hinterlässt (Instagram, Webseite – wird von mir angelegt), betretbar durch einen QR-Code oder durch die Webadressen;
die digitale Aufnahme der LaufApp, die für den Anwender digital zugänglich ist.
C = AUSSTELLUNGSRAUM,
der für Besucher/Besucherinnen für eine begrenzte Zeit zugänglich ist und ebenfalls Spuren sammelt durch eine Lochkamera und hinterlassenen Daten im Gästebuch.
zu C = AUSSTELLUNGSRAUM
1. Wand (gegenüber Fenster): kleine Objektboxen (mindestens 10 Stück) mit Daten der Teilnehmenden der partizipativen Aktion (Lochkamerabilder, Fundstücke, Fotoalbum)
2. Seitliche Wand I:
Installation | meine zwei Strecken-Kurven im Vergleich
Strecke 1 in Viernheim: Wohnort bis ungefähr Kunstverein (ca. 20 min)
Strecke 2 in Mannheim: FKAM bis ungefähr Port25 (ca. 20 min)
3. Seitliche Wand II:
Installation | alle Strecken-Längen im Vergleich
4. Tisch | Regal: Fotoalbum mit den privaten Erinnerungen der Teilnehmenden
5. Eingangsbereich: Videoinstallation | Verortung der Strecken auf Karte
6. Eingangsbereich: Tisch mit „Gästebuch“ für persönliche Daten der Besucher/Besucherinnen
(evtl. 7. an der Decke/ gegenüber Tür: Lochkamera wie Überwachungskamera)

DATENSPUREN 
= Lochkamerabilder, Fotos, Bewegungsprofile, Streckenlängen, Fundstücke, Abdrücke, Frottagen, Fingerabdrücke, Fuß- Rad- Autospuren, Paket + Frankierung,...
Lochkamera im Einsatz
Lochkamera im Einsatz
Ergebniss der LaufApp
Ergebniss der LaufApp
Ergebnis Foto-Negativ
Ergebnis Foto-Negativ
Einordnung in die Kunstszene
Meine konzeptuelle Arbeit ist eine Datensammlung im öffentlichen Raum, in dem wir uns bewegen, den wir sozusagen begehen. Sie befasst sich mit den Spuren, die wir dort vorfinden und die wir selbst hinterlassen im analogen wie im digitalen Raum, der aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken ist und der wie eine Parallelwelt zur gleichen Zeit zu existieren scheint.   
Dabei ist der partizipative Teil wesentlich für die Arbeit. Erst im Vergleich mit den Ergebnissen der Teilnehmenden werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der gesammelten Daten und Spuren aus der zurückgelegten Strecke sichtbar.
Das Ergebnis des Bewegungsprofils aus der Lochkamera ist für mich eine Art Performance, die die individuellen Bewegungen der Laufenden in dem ihnen bekannten Raum abbildet. 
Die Unterschiede der Datenspuren waren zu erwarten, da sie auf die speziellen Eigenschaften der Mitwirkenden wie Rhythmus, Weite und Schnelligkeit der Bewegung, den landschaftlichen, b. z. w. städtebaulichen Eigenschaften und den damit verbundenen Wegbeschaffenheiten und Hindernissen  und den unterschiedlichen Wetterverhältnissen/ Licht-Schatten-Verhältnissen zurück zu führen sind.
Gehen, Flanieren, Spazierengehen als Kunstform, b. z. w. als ein Ereignis, das einen kreativen Prozess in Gang setzt, lässt sich in der Geschichte der Kunst wie auch in der Philosophie schon früh finden:

Angefangen mit Aristoteles (384-322 v.Chr.), der, im Gegensatz zu seinem Lehrer Platon, für sich und seine Schüler das Philosophieren während des Gehens bevorzugte, über die französische Literatur, wo der Flaneur von Baudelaire (1821-1867) zum „Maler des modernen Lebens“ ernannt wurde, bis hin zu den DADAisten, die 1921 zu Stadtraumerkundungen in Paris aufriefen und den subversiven Spaziergängen in den 1950er Jahren bei denen sich Künstler in einer Art Feldforschung sich den kapitalistisch geformten städtischen Raum wieder zurück erobern wollten und schließlich ab 1967 in der Landart, angeführt von Richard Long, der die Landschaft als neues Arbeitsfeld entdeckte.

Aber auch in der zeitgenössischen Kunst gewinnt das Thema „Gehen“ wieder an Bedeutung. So war z.B. aktuell bis zum 22. Mai in der SCHIRN in Frankfurt die Ausstellung WALK! zu sehen. Dort waren über 40 KünstlerInnen vertreten, die sich mit dem Akt des Gehens als gesellschaftliches Phänomen auf unterschiedliche Weise auseinandergesetzt haben, auch mit partizipativen Aktionen.

So reiht sich auch meine Arbeit ZEIT | RAUM | DATENSPUREN ganz gut in das aktuelle Kunstgeschehen ein.

Informationen aus:
Kunstforum (Magazin), Die Kunst des Gehens, März-April 2020
100 Jahre Gehen als Kunst,
www.kabinett-online.de
WALK!, www.schirn.de/ausstellungen/2022/walk/
Wikipedia


Danke an meinen Tutor für die wertvolle Unterstützung:
Francisco Klinger Carvalho
Visual Artist (Brasilien, Deutschland) und Dozent an der Freien Kunstakademie Mannheim
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